LAB Talk

Mit Zuversicht politische Veränderungen anstoßen

Mit Zuversicht politische Veränderungen anstoßen 1280 960 C2C LAB

Bei unserem 21. LAB Talk am 4. Juni hatten wir die Vorständin der Heinrich-Böll-Stiftung, Ellen Ueberschär, bei uns zu Gast. Die Stiftung leistet politische Bildungsarbeit und ist als Grünen-nahe Stiftung eng dran am politischen Geschehen. Deshalb ging es im Gespräch zwischen Ellen Ueberschär und Nora auch darum, wie wir politische Veränderungen erreichen und Cradle to Cradle auf politischer Ebene voranbringen können. Eine der entscheidenden Fragen dabei ist, wie wir eigentlich in Zukunft leben wollen und mit welchen Lösungen wir das erreichen können.

Für die Gestaltung unserer Zukunft brauchen wir positive Ziele, waren sich Nora und Ellen Ueberschär einig. Ueberschär betonte, dass viele Menschen derzeit verunsichert seien, da das Zeitalter der Moderne zu Ende gehe. Doch für eine positive und lebenswerte Zukunft bräuchten wir auch positive Visionen. „Die Erzählung, dass das Leben gut werden kann, müssen wir wieder klarer machen. Wir müssen als Gesellschaft wieder lernen, das bestehende Paradigma zu hinterfragen”, so Ueberschär.

Die passenden Rahmenbedingungen

Aber was brauchen wir eigentlich dafür, um eine lebenswerte Zukunft zu gestalten? Nora und Ellen Ueberschär waren sich einig, dass es bisher noch an den passenden Rahmenbedingungen mangelt. Auf europäischer Ebene sind wir mit dem European Green Deal schon weiter als auf Bundesebene, stellte Ueberschär fest. Doch die nationale Umsetzung sei schwierig. „Europäische Regelungen scheitern oft an der Umsetzung durch die nationale Gesetzgebung. Wir haben mit dem European Green Deal die einmalige Möglichkeit, als EU-Bürger*innen einzufordern, dass daraus kein European Greenwashing wird”, so die Einschätzung von Ueberschär. Trotzdem gebe es auch in Deutschland Fortschritte, wie das Lieferkettengesetz verdeutliche. Da sei zwar noch Luft nach oben, doch, „dass wir überhaupt ein Lieferkettengesetz haben, wäre vor 10 Jahren undenkbar gewesen”, so Ueberschär. Solche gesetzlichen Rahmenbedingungen bilden die Grundlage dafür, dass wir innovative Geschäftsmodelle entwickeln können. Nora betonte, dass zirkuläre Geschäftsmodelle nach Cradle to Cradle einen enormen Konkurrenzvorteil bedeuten können. Auch Product as a Service-Modelle spielen dabei eine Rolle. Nora stellte dabei unter anderem die Frage in den Raum, warum Unternehmen beispielsweise Solarpanels verkaufen, anstatt den Service des Photoneneinfangs zu anzubieten? Denn für den Erhalt von Energie müssten diese nicht zwangsläufig  den Besitz wechseln. Ueberschär bedauerte, dass die jetzigen Gesetze zu sehr auf den Verkauf ausgelegt sind und solchen innovativen Geschäftsmodellen wenig Raum böten. 

Wir brauchen reale Preise

Innovative Geschäftsmodelle brauchen nicht nur gesetzliche Vorgaben, sondern auch ein faires Preisgefüge. Bisher bilden die Preise von Produkten aber noch nicht die Realität ab, wie Ueberschär sagte. „Warum haben wir diese Preise, die uns vorgaukeln, dass etwas günstiger wäre, aber am Ende trägt die Gemeinschaft die Kosten davon?” , kritisierte sie. Es sei ein großes Problem, dass die Schäden, die Produkte an Umwelt und Ressourcen hinterlassen, nicht eingepreist werden. Bisher setzen sich günstige Produkte auf dem Weltmarkt gegenüber nachhaltigen Produkten durch. „Wenn wir keine Preispolitik haben, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist, wird es schwierig” , so Ueberschär. Auch wenn dies ein globales Problem sei, sollte uns das nicht davon abhalten, auf nationaler Ebene Lösungen zu finden. So könne man auch eine Vorbildwirkung erreichen. Nora ergänzte, dass die Abschaffung schädlicher Subventionen schon einmal ein Anfang wäre, z. B. bei der Besteuerung von Kunststoffrezyklaten.

Mit digitalen Lösungen die Zukunft gestalten

Neben einer auf Nachhaltigkeit ausgelegten Preispolitik ist auch die Digitalisierung entscheidend für eine ökologische Transformation. „Wir werden unsere ökologischen Ziele nicht ohne Digitalisierung erreichen”, betonte Ueberschär. Digitalisierung könne uns dabei helfen, Daten und Informationen besser zu sammeln und zu speichern, beispielsweise im Bereich Energie. Dazu müssten wir digitale Produktpässe einführen, die angeben, welche Materialien für ein Produkt verwendet wurden, um diese so rückverfolgen zu können. So könnten ganze Lieferketten transparenter gestaltet werden. Auch für das Recycling sei es enorm wichtig, genau zu wissen, was in Produkten enthalten ist. Diese Daten müssten aber dem Gemeinwohl dienen und durch Open Source-Lösungen allen zur Verfügung gestellt werden, sagte die Stiftungsvorständin. Nora ergänzte, dass digitale Produktpässe auch dabei helfen können, Produkte oder Gebäude als Materiallager zu nutzen, in denen Rohstoffe für eine bestimmte Nutzungszeit verbaut, und nach der Nutzung weiterverwendet werden können.

Ausblick auf die Bundestagswahl

Die anstehende Bundestagswahl im September 2021 war bei Nora und Ellen Ueberschär im LAB Talk natürlich ebenfalls Thema. „Das Klima- und Umweltthema wird ganz klar den Wahlkampf entscheiden”, so Ueberschärs Prognose. Doch diese Themen sollten nicht nur den Grünen überlassen werden, man brauche stattdessen parteiübergreifende Diskussionen. „Wir brauchen einen Wettbewerb von Ideen. Wer eine Idee hat, wie wir schneller eine Kreislaufwirtschaft etablieren können: Go for it!“, zeigte sich Ueberschär offen. Dabei könne auch die Zivilgesellschaft einen Beitrag leisten, indem sie auf Probleme und (C2C-)Lösungen aufmerksam mache und die politischen Vertreter*innen unter Druck setze. Auch die Heinrich-Böll-Stiftung möchte mit ihrer politischen Bildungsarbeit Menschen erreichen und Veränderungsprozesse anstoßen. Ueberschär betonte außerdem, dass wir jetzt Investitionen in die Zukunft benötigen. Die durch die Corona-Pandemie belasteten öffentlichen Kassen dürften keine Ausrede sein,  um eine nachhaltige Transformation zu erreichen. Dabei sei es wichtig, die breite Bevölkerung mitzunehmen und soziale Aspekte nicht zu vernachlässigen. Bei der ökologischen Transformation könne auch die Kirche eine Rolle spielen, erläuterte Ueberschär, die Theologie studiert hat und seit 2004 ordinierte Pfarrerin ist. Es gäbe große Parallelen zwischen der Umweltbewegung und dem Gedanken der Schöpfungsbewahrung. Daraus könne man Kraft und Energie ziehen, auch bei Misserfolgen durchzuhalten. Ellen Ueberschär sieht positiv in unsere Zukunft: „Meine Grundüberzeugung ist: Wenn wir nicht die Zuversicht haben – dann können wir alles hinschmeißen.”

Umweltfreundliche Innovation aus dem Mittelstand

Umweltfreundliche Innovation aus dem Mittelstand 1036 580 C2C LAB

Am 17. November 2020 war der Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt,  Alexander Bonde, bei uns zu Gast im LAB Talk. Die DBU wird auch „the largest organisation you never heard of before” genannt, sagte Bonde halb im Scherz, obwohl sie die größte Umweltstiftung Europas ist. Mit jährlich 60 Millionen Euro fördert die Organisation Projekte aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in den Bereichen Umwelttechnik, Umweltforschung und Umweltbildung. Damit möchte die DBU dabei unterstützen, innovative Lösungen für Umweltprobleme zu finden. In unserem LAB Talk unterhielt sich Bonde mit Nora über die Bedeutung des deutschen Mittelstandes, die richtigen politischen Rahmenbedingungen für umweltfreundliche Innovation und darüber, warum sich die DBU manchmal wie Bob der Baumeister fühlt. 

Alexander Bonde hat sich schon in der Vergangenheit als Fan von Cradle to Cradle entpuppt. Unter anderem, als er uns vor gut einem Jahr in unserem C2C LAB in Berlin besucht hat. Mit dem Green Deal der EU, sagte er nun im Gespräch mit Nora, sei auf europäischer Ebene im Bereich Circular Economy schon viel passiert, allerdings müsse nun auf Bundesebene auch nachgelegt werden. „Technologisch haben wir in Deutschland unheimlich viel Potential, aber dass die Frage beim Design und bei der Produktplanung losgeht, die ist leider in anderen politischen Diskursen ausgeprägter”, so Bonde.

Fokus der DBU auf das Thema Circular Economy

Auch die DBU will in Zukunft einen Fokus auf Circular Economy legen. Bonde zufolge soll in den nächsten drei Jahren ein zweistelliger Millionenbetrag in den Bereich CE fließen. „Die Frage, wie bekommen wir eigentlich Ressourcen in Kreisläufe, ist eine der ganz zentralen Umweltfragen der nächsten Jahre, sowohl in der Frage Klimaschutz als auch weit darüber hinaus”, so der Generalsekretär. Er und Nora waren sich einig, dass wir ein anderes Verhältnis zum Umgang mit Ressourcen und Materialien brauchen. Bonde betonte, dass bereits bei der Planung eines Produkts darüber nachgedacht werden muss, wie die verwendeten Materialien am Ende im Kreis laufen können. Er stimmte Nora zu, dass die Klimakrise nicht die einzige große Herausforderung sei: Es gebe noch weitere, genauso drängende ökologische Fragen, wie zum Beispiel die Ressourcenfragen oder auch der Verlust von Biodiversität: „Man wird die Probleme nicht lösen, indem man sie von einem Krisenbereich in den anderen verschiebt, sondern wir müssen sie wirklich lösen.”

Welche Rolle spielt der Mittelstand bei der Lösung von Umweltfragen?

Neben der Circular Economy hat die DBU einen ganz besonderen Fokus auf mittelständische Unternehmen. Das erklärte Bonde damit, dass KMU (kleine und mittlere Unternehmen) oft als Impulsgeber funktionieren und neue Ideen in die Märkte bringen. Die DBU möchte diesen Unternehmen dabei helfen, innovative Ideen aus dem Bereich Umweltschutz voranzubringen. Nora bestätigte, dass sich auch in Sachen C2C häufig mittelständische Unternehmen engagieren und oftmals direkt die gesamte Produktion nach Cradle to Cradle umstellen. Bonde hob hervor, dass dieses innovative Denken des Mittelstandes auch durch Corona nicht gebremst worden sei, im Gegenteil: Die DBU verzeichnete im Jahr 2020 ein Hoch an gestellten Anträgen. „Die Coronakrise hat die Frage der Nachhaltigkeit in Geschäftsmodellen vielleicht medial überlagert, aber in der Wirtschaft ist die Debatte voll entbrannt”, so Bonde.

Digitalisierung und die richtigen politischen Rahmenbedingungen

Ein weiteres Thema, das in diesem LAB Talk diskutiert wurde, war Digitalisierung. Nora erklärte, dass Digitalisierung für die Umsetzung von Cradle to Cradle in der Praxis enorm wichtig sei, da so digitale Materialausweise erstellt werden können, die genau dokumentieren, welche Materialien in Produkten enthalten sind. Bonde hob ebenfalls die Vorteile durch Digitalisierung für Unternehmen hervor, ergänzte aber auch, dass die Digitalisierung einen nachhaltigen Rahmen brauche, damit sie nicht als Brandbeschleuniger für große Umweltprobleme wirke. Die Kreislaufführung von beispielsweise Halbleitern sei eine große Herausforderung und müsse mitgedacht werden. Dafür brauche es aber auch die richtigen politischen Rahmenbedingungen. An dieser Stelle betonte Nora, dass genau das auch Aufgabe unserer NGO sei: Politisch Druck auszuüben, damit sich genau solche Rahmenbedingungen verändern. Vorgaben aus der Politik, da waren sich beide einig, werden auch gebraucht, um reale Preise abzubilden, auch über einen realistischen Preis für CO2 hinaus. Bonde erläuterte, dass durch falsche Anreize verhindert würde, dass gute Produkte auf den Markt kommen: „Die Nicht-Bepreisung vom CO2-Ausstoß ist ein reales Markthindernis für moderne, innovative Produkte. Nora ergänzte, dass nicht nur Gewinne privatisiert werden sollen, sondern auch der Schaden, den ein Produkt zum Beispiel der Umwelt zufügt. Aus Sicht der DBU als Innovationsförderer, so Bonde, sei es eine große Hürde, dass es keine realen Preise gibt: „Wir sind überzeugt, dass wir einen Marktrahmen brauchen, der Innovationen nicht verhindert, sondern sie über die wahren Kosten anregt und so die guten Produkte in den Markt lässt.”

Umweltbildung als Bindeglied

Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen der DBU und unserer NGO ergab sich beim Thema Umweltbildung. Genau wie wir möchte auch die DBU das richtige „Mindset” nicht nur in die Politik, sondern auch in die Gesellschaft bringen. Bonde betonte die Bedeutung von Best Practice Beispielen, die zeigen was schon geht, aber auch Druck machen können, damit man sich nicht auf dem Erreichten ausruht. Zur Rolle der DBU in diesem Zusammenhang sagte er: „Wir fühlen uns wie der Bob der Baumeister der Umweltbewegung. Bei uns geht es immer darum, welche Werkzeuge wir schon haben und wie man damit etwas ganz Konkretes lösen kann.” Bonde und Nora betonten beide, dass man zwar schon viel erreicht habe, aber es auch noch viel zu tun gebe. Man müsse nun eine positive Perspektive aufzeigen.