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Eine C2C-Modellkommune zum Ausprobieren, Anfassen und Anschauen

Eine C2C-Modellkommune zum Ausprobieren, Anfassen und Anschauen 2560 1920 C2C LAB

Die CradletoCradle-Community ist geprägt von Pionier*innen, engagierten Menschen und Überzeugungstäter*innen. Dazu zählt auch Helge Viehweg, Bürgermeister der C2C-Modellkommune Straubenhardt. Mit ihm sprach unsere Geschäftsführende Vorständin Nora am 16. April bei unserem digitalen LAB Talk. Was können Städte und Kommunen zu C2C beitragen? Was macht eine Gemeinde oder Kommune aus? Und wo liegen die größten Herausforderungen bei der Implementierung von C2C in einer Region? Das waren nicht nur Fragen, die dem Bürgermeister und Nora auf dem Herzen lagen, sondern die auch von den Zuschauenden gestellt wurden. 

Inspiriert von einem Vortrag von C2C-Vordenker Prof. Michael Braungart bei der IHK, trug Helge Viehweg die Idee von C2C in seinen Gemeinderat und konnte überzeugen. Wichtig waren dabei vor allem Aspekte, die Straubenhardt ausmachen und in Zukunft ausmachen sollen. Wie kann Straubenhardt, eingekreist von größeren und wirtschaftlich stärkeren Städten wie Pforzheim, besser in den Mittelpunkt gestellt werden? Ein Innovations- und Qualitätskonzept wie C2C liege da natürlich nah. Wie Viehweg beim LAB Talk betonte, möchte die Gemeinde nicht weiter Gebäude für die Müllhalde bauen, die schon beim Betrieb die Umwelt belasten. Das erste Projekt ist daher ein Feuerwehrhaus nach C2C. Der Neubau ist seit März 2019 im Gange. Daneben achte die Gemeinde beim Kauf von Büromöbeln, Büromaterial und Putzmitteln auf ökologische Standards, erzählte Viehweg. Das ist aber nur der Anfang – Straubenhardt hat sich hohe Ziele gesetzt, bei denen auch wir als NGO unterstützen und beraten. Ziel ist, ein Alleinstellungsmerkmal zu generieren, das zu Gemeinde und Lage passt: Gesunde Arbeitsplätze, glückliche Bewohner*innen, Produktion, Gewerbe und Industrie im Einklang mit der Natur, Innovation und hohe Lebensqualität sowie Wertsicherheit. Dass Straubenhardt einen offenen Gemeinderat hat, durfte auch Nora mitbekommen: “Ich habe gesehen wie viele Menschen vor Ort sich engagieren, Herzblut mit einbringen und sagen, sie wollen die Gemeinde gestalten und dazu beitragen, nicht nur weniger schlecht zu sein – sondern einen positiven Fußabdruck zu hinterlassen. Das finde ich beeindruckend.“ 

Dass es trotzdem nicht immer einfach ist, als Pionier*in voranzuschreiten, zeigte sich ebenfalls im Gespräch: Laut Viehweg wird von Verantwortlichen in den Kommunen häufig zu typisch deutsch gedacht, dadurch zu viel hinterfragt, zu perfektionistisch gedacht und nur die Probleme gesehen. “Und wenn wir uns davon frei machen – und ich muss gestehen, dass hat auch bei mir eine ganze Weile gedauert – und uns darauf einlassen, Dinge auszuprobieren und zu sagen ‘wir versuchen das’, dann haben wir in den Kommunen tatsächlich riesige Chancen”, so Viehweg. Es reiche nicht zu fragen: Was kostet ein Gebäude? Es gehe darum, was ein Gebäude bringe und was die herkömmliche Bauweise in der Vergangenheit nicht gebracht hat. Umweltschäden und die Entsorgung sind nämlich bisher nicht in Baukosten eingepreist – dafür zahlt die Gesellschaft, ohne an den Gewinnen von Bauunternehmen und Immobilienfirmen beteiligt zu werden. C2C sei da vielleicht die ehrlichere Betrachtung, so Viehweg. Die Kosten, die am Anfang eines C2C-Gebäudes stehen, seien vielleicht höher als beim konventionellen Bau. Später seien jedoch das Gebäude und seine Einzelteile wiederverwertbar. Durch den Wegfall von Entsorgungskosten würden die Lebenszykluskosten eines C2C-Gebäudes daher im Vergleich geringer – um beim Beispiel Bausektor zu bleiben. 

Nora betonte ebenfalls, dass die Gesamtkosten betrachtet werden müssen. Für einige sei die Coronakrise eine Ausrede, um beispielsweise die Klimaziele zu pausieren, damit Geld gespart wird. Nora stellte heraus, dass die derzeitige Situation ein Startpunkt sein sollte, anders und neu zu Wirtschaften. Die Corona-Hilfsgelder, die jetzt in die Wirtschaft fließen, sollten Nora zufolge in Unternehmen und Produkte investiert werden, die ökologisch wirtschaften, die in ihren Geschäftsmodellen auch die langfristigen Effekte ihres Handelns für Mensch und Umwelt beachten. Dieser Ansatz sei auch auf Kommunen übertragbar. Kommunen zählten zu den größten Beschaffern des Landes. Vom Büromaterial über den Kaffee für die Behörden-Küchen bis hin zum kommunalen Bau. Für C2C NGO sind sie daher ein riesiger Hebel, um etwas zu verändern und sie sollten sich daher – auch in diesen Zeiten – überlegen, welche Beschaffungsrichtlinien sinnvoll sind. Welche Richtlinien die Kommunen selbst und damit die Gesellschaft langfristig weiterbringen. 

Und hier schließt genau ein Punkt an, der Viehweg besonders überzeugt hat: C2C ist ein Wirtschaftsmodell, in dem mit menschen- und umweltfreundlichen Produkten und so mit einem guten Gewissen Geld verdient werden kann. Und genau das möchte er auch für Straubenhardt: “Mit guten Produkte Gutes tun.” Politische Entscheidungen müssten abseits von Lobbyismus und ähnlichem getroffen werden. Und es dürfe auch kein Scheinsystem aufgebaut werden. Stattdessen müssten die Verantwortlichen – beispielsweise für Müll – zur Kasse gebeten werden. Im Gegenzug würden Projekte, die C2C berücksichtigen, in Straubenhardt zukünftig unterstützt. Ziel sei unter anderem ein Gewerbegebiet nach C2C. Dafür sei die Kommune mit Bauherren im Gespräch und komme bspw. mit den Grundstückspreisen entgegen, wenn C2C beim Bau berücksichtig werde. Dabei dürften aber nicht die Bürger*innen von Straubenhardt vergessen werden, so Viehweg. Denn ohne deren Akzeptanz sei die weitere Implementierung von C2C nicht möglich. In Zukunft werde versucht, der Bevölkerung anhand von kleineren Projekten bzw. Produkten C2C näher zu bringen. Denn wenn die Menschen sehen, dass Unternehmen wie Steelcase, Frosch oder Stabilo C2C schon umsetzen, sei C2C greifbarer für die Bevölkerung und zeige, dass es auch schon heute möglich ist, ist Viehweg überzeugt. 

Es sei wichtig, dass wir die Menschen zum Umdenken anregen – denn jede*r könne auch im Kleinen Bildungsarbeit machen. Jede*r könne die Frage stellen, ob ein Stift zum Schreiben gemacht ist oder ob das Papier durch ihn zu Sondermüll wird, so Nora. Aber natürlich gehe es auf kommunaler Ebene auch darum, C2C in die Schulen zu tragen, in die Kitas, in die öffentlichen Einrichtung. Darum an ganz vielen Stellen immer wieder das Umdenken voranzutreiben. Und dabei spielten Kommunen eine wichtige Rolle. 

Das ganze Gespräch könnt ihr auf YouTube anschauen. 

Von Obstbäumen, Corona-Hilfsgeldern und der Finanzierung von ökologischem Landbau

Von Obstbäumen, Corona-Hilfsgeldern und der Finanzierung von ökologischem Landbau 2560 1920 C2C LAB

Der Beirat unserer C2C NGO besteht aus Menschen, die Cradle to Cradle leben. Sie sind Unternehmer*innen, die sich mit ihrer beruflichen Expertise bei uns einbringen, oder aber Personen, denen Cradle to Cradle ein privates Anliegen ist. Das ist auch bei Nina Eichinger so. Die Münchnerin ist nicht nur Moderatorin, sondern auch Umweltwissenschaftlerin mit einer Ausbildung in Permakultur. Am Donnerstag, den 9. April, war Nina zu Gast im LAB Talk und unterhielt sich mit Tim unter anderem über Umwelt- und Klimaschutz in Corona-Zeiten und die Notwendigkeit von Cradle to Cradle in der Landwirtschaft. 

Weil durch die Coronakrise sämtliche Moderations-Jobs abgesagt wurden, hat es sich Nina Eichinger in den vergangenen Wochen mit ihrer Familie auf dem heimischen Hof gemütlich gemacht. Von dort aus war sie live im C2C LAB zugeschalten und hat sich eine Stunde Zeit für das Gespräch mit Tim und die Fragen der Zuschauer*innen genommen. Sie habe Obstbäume gepflanzt und arbeite, weil es viel zu trocken für die Jahreszeit ist, an einem ausgeklügelten Schlauchsystem zur Bewässerung der neuen Pflanzen. Außerdem koche sie viel und kümmere sich um ihre Pferde. 

Außerdem hat Nina nun mehr Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, wie die Krise unser aller Leben und unsere Wirtschaft verändert. Für sie ist der Zeitpunkt der richtige, um bisherige Systeme und Herangehensweisen zu überdenken. “Das Corona-Virus kommt von Wildtieren. Weil wir deren Lebensräume zerstören, um dort Ressourcen zu heben, springt es auf der Suche nach einem neuen Wirt auf uns Menschen über. Virologen sagen seit Jahren, dass wir diese Lebensräume erhalten müssen. Es gibt einen Zusammenhang zwischen solchen Krisen und Klima- und Umweltschutz und das muss bei den Menschen endlich ankommen”, sagte Nina im Gespräch.  

Dass nun Konferenzen wie der Weltklimagipfel in Glasgow nach hinten verschoben werden mache ihr – bei allem Verständnis für den notwendigen Schutz der Teilnehmer*innen – vor diesem Hintergrund Angst. Ebenso die Verteilung von Hilfsgeldern in der Krise. “Die Notgelder erhalten Unternehmen, von denen wir wissen, dass sie in die falsche Richtung wirtschaften”, kritisierte Nina, die unter anderem in San Diego und Lugano Umweltwissenschaften studiert hat und daran eine Ausbildung in Permakultur angeschlossen hat. Stattdessen müssten die Hilfen an Firmen gehen, die nachhaltig wirtschaften und in Kreisläufen denken, erläuterte sie auf eine Publikumsfrage hin.  

Für Cradle to Cradle NGO hängt damit auch direkt die Frage zusammen, wie Preise gestaltet werden und wie Unternehmenserfolg gemessen wird. “Wir benötigen eine neue Definition von Unternehmertum und eine echte Bepreisung von Produkten”, sagte Tim in dem Gespräch. Dazu gehöre, Schäden an Menschen und der Umwelt einzupreisen, damit diese künftig vom Verursachenden und nicht wie bisher, von der Allgemeinheit getragen werden.  

Echte Preise statt ausgelaugter Böden 

Eine reale Bepreisung ist Nina zufolge insbesondere auch in der Landwirtschaft dringend notwendig. Permakultur habe ihr Interesse geweckt, weil es sich dabei im Prinzip um eine Kreislaufwirtschaft ohne Müll handele. “Das Ergebnis ist eine Landwirtschaft und Landschaften, von denen alle profitieren”, sagte sie. Leider hätten Landwirt*innen im Allgemeinen einen schlechten Ruf – insbesondere bei vielen Umweltschutzorganisationen. Für Nina ist dieser Ruf nicht gerechtfertigt, da außer Acht gelassen werde, unter welchen politischen Rahmenbedingungen viele Landwirt*innen arbeiteten. “Die Höfe müssen beispielsweise bei der Viehhaltung immer mehr aus den Tieren rausholen, um Subventionen zu erhalten. Also kauft der Landwirt 40 Kühe mehr, um überhaupt überleben zu können”, erklärte sie. Es brauche daher mehr Mut, ökologischen Landbau nach dem Kreislaufprinzip in die Breite zu bringen. Und dazu gehöre auch, dass Landwirt*innen Hilfen und Finanzierung erhalten, um ihre Höfe dahingehend umzustellen.  

Auch hier spielt Tim zufolge wieder die Bepreisung eine enorm wichtige Lenkungsrolle. “Bei realen Preisen würde sich die aktuelle Landwirtschaft überhaupt nicht mehr lohnen, weil die Auslaugung der Böden viel zu teuer wäre”, sagte er. Dass Deutschland als Flächen- und Agrarland bezüglich der Gesundheit der Böden in Europa Schlusslicht ist, regt Nina immer wieder auf. “Das ist echt peinlich”, sagte sie. Umso wichtiger sei es, Gesetzesvorhaben wie den Aktionsplan Kreislaufwirtschaft auf europäischer Ebene nun weiter voranzutreiben. Die jetzige Krise sei eine Chance, Wirtschaft und Gesellschaft beim Aufbau holistisch zu begreifen und die Dinge künftig richtig zu machen. 

Das ganze Gespräch ist in unserem YouTube-Channel zu finden.

Eine Premiere und eine Politikerin im C2C LAB

Eine Premiere und eine Politikerin im C2C LAB 2560 1920 C2C LAB

Weil wir durch die Coronapandemie derzeit keine Veranstaltungen in unserem C2C LAB durchführen können, haben wir diese kurzerhand ins Internet verlegt. Nach der ersten virtuellen Tour durch das LAB (LINK) stand am Donnerstag, den 2. April, die nächste Premiere an: Der erste LAB Talk, bei dem die Europaabgeordnete Delara Burkhardt (SPD) zu Gast war.  

Ein gut funktionierendes Headset ist derzeit der wichtigste Ausrüstungsgegenstand eines Mitglieds des Europäischen Parlaments. Normalerweise, so erzählte Delara im LAB Talk mit unserer Vorständin Nora,  ist sie nonstop zwischen Brüssel, Straßburg und ihrem Wohnort Kiel unterwegs, trifft dabei viele Menschen, arbeitet im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit oder sitzt mit den gut 700 weiteren EU-Parlamentarier*innen zusammen und stimmt über Gesetzesvorlagen ab. Durch die Coronapandemie entfällt all das – stattdessen sind nun Videokonferenzen und digitale Abstimmungen an der Tagesordnung. “Das alles jetzt auf die eigenen vier Wände zu übertragen, nicht mehr so viel unterwegs zu sein und neue, digitale Formate auszuprobieren, ist eine spannende Erfahrung”, sagt die 27-Jährige. 

Eines steht für Delara fest: Die Arbeit der EU-Kommission und des EU-Parlaments muss derzeit reibungslos weiterlaufen. Nicht nur um Maßnahmenpakete zur Bewältigung der Coronakrise und Verbesserung der Situation Geflüchteter an den EU-Außengrenzen zu verabschieden. Sondern auch, um die Umsetzung des jüngst von der EU-Kommission vorgelegten Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft voran zu treiben. 

“Wenn wir in der EU über die Einhaltung der Klimaziele sprechen, kommen wir an einer Kreislaufwirtschaft nicht vorbei”, sagte Delara. Mehr als die Hälfte der europäischen CO2-Emissionen stammten daraus, wie wir Ressourcen gewinnen und verarbeiten.  “Daher brauchen wir eine kluge Politik, um die Ressourcen, die wir verbrauchen, in einen Kreislauf zu bringen”, so Delara weiter. Der Aktionsplan, den die EU-Kommission im Rahmen des Green Deals erstellt hat, sei aus ihrer Sicht ein solcher politischer Ansatz. Darin werde ganzheitlich der gesamte Lebenszyklus von Produkten betrachtet. Durch ihn solle auch der vermeintliche Widerspruch“ entweder geht es der Umwelt gut, oder den Menschen”, aufgelöst werden.  

Dass der Aktionsplan beim Design von Produkten ansetzt, ist auch aus Sicht von C2C NGO der richtige Weg, wie Nora erläuterte. Auch dass die Kommission Product-as-a-service-Modelle darin erwähne, bei denen nicht das Produkt, sondern dessen Nutzung bezahlt werden. “Dieses Thema diskutieren und forcieren wir seit Jahren – und jetzt kommt es langsam an. Das finde ich positiv”, so Nora.    

Ein Kritikpunkt an dem Paket sei der Fokus auf die Langlebigkeit von Produkten. Auch Autoreifen seien über die Jahre immer langlebiger konzipiert worden, so Nora. Das habe dazu geführt, dass der bei der Nutzung entstehende Feinstaub immer feiner und damit schädlicher für Mensch und Umwelt wurde. “Hier wurde nicht auf das Nutzungsszenario geachtet. Ein Autoreifen muss so gemacht sein, dass sich die Materialien, die abgerieben werden, in der Biosphäre abbauen können”, so Nora weiter. Die Nutzung schädlicher Chemikalien werde im Aktionsplan angesprochen, so Delara. Ebenso wie die Nutzung von Bio-Kunststoffen. Der Gedanke spiele also in dem Papier durchaus eine Rolle.   

Auch die Frage der Kohärenz werde in den europäischen Ausschüssen im Zuge des Green Deals immer wieder diskutiert. “Es kann nicht sein, dass wir ambitioniertere Klimaziele fordern, und auf der anderen Seite dafür sorgen, das unnachhaltige Projekte durch EU-Mittel subventioniert werden”, sagte Delara. Das entspricht auch der Forderung von C2C NGO nach einer realeren Preispolitik, die Umwelt- und Klimaschäden nach dem Verursacherprinzip abbildet.  

Generell sei der Aktionsplan “work in progress”, so Delara – und andressierte damit auch eine Frage aus dem virtuellen Publikum. Organisationen sowie Bürger*innen können sich bei der Gestaltung konkreter Vorschläge und Gesetzesvorhaben, die aus dem Aktionsplan folgen müssen, einbringen. Etwa, indem sie an ihre EU-Abgeordneten schreiben. Mit diesem Engagement hänge auch zusammen, wie stark die Klima- und Umweltpolitik der EU in den nächsten Monaten vorangetrieben werde. Bei der letzten Europawahl war dieser Bereich eine der wichtigsten Grundlagen für die Wahlentscheidung der Bürger*innen. Darüber habe das EU-Parlament den Druck auf die EU-Kommission aufbauen können, der letztlich auch zum Green Deal geführt habe. “Daran müssen wir auch jetzt wieder erinnern. Ich bin der Meinung, dass die Politik in der Lage ist, mehrere Krisen auf einmal zu händeln”, so Delara. Ziel müsse es sein, den Green Deal zum Herzstück “eines Wirtschaftsaufbauprogramms nach Corona” zu machen.  

Wirtschaften wie der Wald

Wirtschaften wie der Wald 2560 1707 C2C LAB

Im Wald arbeiten alle Pflanzen und Lebewesen zusammen. So unterschiedlich die einzelnen Akteure dort auch sein mögen: Sie bilden ein geschlossenes Ökosystem, ganz ohne Müll. Dass dies auch im Bauwesen möglich ist, zeigten Holzbaupionier Erwin Thoma und der Architekt Jörg Finkbeiner von Partner und Partner Architekten am 6. März 2020 beim C2C Forum “Klimapositives Bauen” im C2C LAB vor vollem Haus.  

Erwin Thoma und Jörg Finkbeiner eint ihre Begeisterung für Holzbau. Und dabei geht es nicht um kleine Holzhütten. Die Thoma Holz GmbH baut mit ihrem Cradle to Cradle-zertifizierten System Holz100 neben Wohnhäusern auch Hotels vollständig aus unbehandeltem Holz und hat unter anderem das Material für das Rathaus in der C2C-Modellstadt Venlo gestellt. Finkbeiner baut mit Partner und Partner Architekten derzeit in Wolfsburg die beiden Holzhochhäuser Woodscraper, die 2019 mit dem Bundespreis Ecodesign ausgezeichnet wurden. Beide sind überzeugt, dass Holzbau in der Breite aufgrund der Materialgesundheit und der Dämmeigenschaften nicht nur wesentlich zum Klimaschutz beitragen kann. Sondern auch, dass diese Art und Weise zu bauen elementarer Teil einer echten Kreislaufwirtschaft nach Cradle to Cradle ist.   

Holz im Überfluss… 

Die beiden Woodscraper, so Finkbeiner, speicherten in der Konstruktion etwa 1600 Tonnen CO2 pro Gebäude. “Sie sind ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz”, sagte er in seinem Vortrag. “Holz ermöglicht Energieautarkie – das ist der Quantensprung, den wir brauchen”, fügte Thoma hinzu. Einen Mangel am Material Holz gebe es nicht, so die beiden. Ganz im Gegensatz zu Sand als Baustoff für Beton. “Wir ersaufen im Holz, weil wir Häuser betonieren”, sagte Thoma. Jährlich würden in Deutschland rund 76 Millionen Kubikmeter Rohholz gerodet, so Finkbeiner. Bei einem jährlichen Bedarf von 272000 neuen Wohnung in Deutschland würden demnach 12,5 Prozent der jährlichen Holzernte ausreichen, um den gesamten Neubaubedarf aus Massivholz zu decken, so Finkbeiner weiter. 

Die Kreislauffähigkeit des Materials wird bei dieser Rechnung noch gar nicht beachtet. Denn Holz sei noch nach Jahrzehnten wiederverwendbar. “Bis zur Generation unserer Großeltern war Holz aus dem Wald eine Art Sparkasse”, so Thoma. Wenn heute ein Haus abgerissen werde, “dann kommen wir sofort auf die Sondermüllschiene. Das kostet zusätzlich Geld”, sagte er weiter. Es brauche demnach eine grundsätzlich neue Haltung im Bauwesen, das für gut 60 Prozent des gesamten Müllaufkommens in Deutschland verantwortlich ist. “Wir müssen Gebäude als Materialbank verstehen. Theoretisch können wir alle Teile ausbauen und in einem neuen Gebäude einbauen”, sagte Finkbeiner. So würde sich auch der Blick auf die Kosten ändern, die derzeit noch über denen konventioneller Bauten lägen – wenngleich auch nur leicht. Bei den Woodscraper seien es etwa 100.000 Euro Mehrkosten im Bau. Die Kostenminderung bei einer Umnutzung, die geringeren Kosten durch den günstigeren Rückbau und die Vermeidung von Sondermüll sowie der Werterhalt und Ertrag der verbauten Materialien seien in dieser Vergleichsrechnung noch nicht enthalten, so Finkbeiner.  

Und diese Rechnung gelte nicht nur für Holz. “Wenn man in 50 Jahren aus einem Gebäude auszieht, in dem Kupfer verbaut ist, dann kann man davon ausgehen, dass das zu diesem Zeitpunkt sehr viel Wert sein wird. Das ist eine wirtschaftlich interessante Perspektive”, so Finkbeiner. In 50 Jahren, ergänzte Thoma, “werden wir froh sein, wenn wir auf Urban Mining und Cradle to Cradle-Bauten zurückgreifen können. Daher ist es extrem wichtig, dass wir Cradle to Cradle so schnell wie möglich in der Bauwirtschaft umsetzen. Das müsste ein zwingendes Ausschreibungskriterium werden”, so Thoma.  

…und eine reaktive Gesetzgebung 

Bisher ist das nicht der Fall – und der Dialog mit Genehmigungsbehörden teilweise müßig. “Die Landesbauordnungen werden sukzessive angepasst. Wir stellen fest, dass die Gesetzgebung reaktiv ist – darüber rege ich mich als Planer auf”, so Finkbeiner. Denn: Wenn sich im Bauwesen etwas hin zu mehr Nachhaltigkeit ändere, dann passten die Gesetze schnell nicht mehr zur Realität. “Ich würde mir wünschen, dass man nicht so viel regelt, sondern eine Latte festlegt, über die man springen muss und so Innovation möglich macht”, fügte der Architekt hinzu. Für Thoma steht fest: “Wir müssen von der belastenden Wirtschaft zur echten Kreislaufwirtschaft kommen.” 

Das Problem besteht allerdings nicht nur bei Neubauten, wie die Sanierung des C2C LAB zeigte. Die weltweit erste Bestandssanierung nach Cradle to Cradle in einem Ostberliner Plattenbau war von behördlicher Seite ebenfalls mit Schwierigkeiten verbunden, die die geschäftsführende Vorständin von C2C NGO, Nora Sophie Griefahn, erzählte. Weil die in dem Gebäude verbauten Materialien nicht dokumentiert waren, sei lange nicht klar gewesen, mit welchem Aufwand der Umbau wirklich verbunden sein würde. “Wir hatten letztlich Glück, dass hier beispielsweise kein Asbest verbaut war”, so Griefahn. Eine digitale Dokumentation aller verbauten Materialien würde dieses Problem lösen. Wichtiger als über die Hürden zu sprechen sei indes, zum Thema klimapositives bauen überhaupt ins Gespräch zu kommen, einfach zu machen und dabei unter Bauherr*innen, Architekt*innen und Planer*innen zu kooperieren. “Wir müssen Gebäude bauen, die wirklich klimapositiv sind. Das kann Holzbau sein, aber auch andere Formen haben. Was nicht geht, ist irgendwo einen Betonklotz hin zu stellen, ohne zu überlegen, was nach der Nutzung damit passiert”, schloss Griefahn die Veranstaltung.  

Teil der Lösung statt Teil des Problems – Partner Event im C2C LAB

Teil der Lösung statt Teil des Problems – Partner Event im C2C LAB 1000 667 C2C LAB

Der Bodenhersteller Tarkettsowie der Bodensystemspezialist Uzin Utz sind zwei der zahlreichen Partnerfirmen von C2C NGO und nutzen das C2C LAB gerne für eigene Veranstaltungen. So auch am 5. März2020zum Thema echte Kreislaufwirtschaft nach CradletoCradle – und was die mit Plastik in den Weltmeeren zu tun hat 

Tarkett und Uzin Utz haben keine Lust, Teil der Verschmutzung der Weltmeere mit Plastik zu sein. “Wir wollen verhindern, dass unsere Böden, unser Material im Meer landet”, sagte Swantje Kühn, Sustainability Manager DACH bei Tarkett im C2C LAB. Uzin Utz sieht als familiengeführtes Unternehmen eine Selbstverantwortung, innovative und materialgesunde Produkte zu entwickeln. “Es ist Deine Welt, es ist Deine Wahl”, so der Leiter der Geschäftseinheit Uzin, Jürgen Walter, zum Umgang mit Plastik. Walter nahm gemeinsam mit dem Head of Corporate Business Development der Uzin Utz AG, Frank Wittkowski an der Veranstaltung teil.  

Tarkett leitet daraus den Anspruch ab, Bodenbeläge nach dem Prinzip einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft zu konzipieren. Rund 10% der Teppichfliesen des Unternehmens werden heute beispielsweise aus zurückgegebenen Fliesen hergestellt. Perspektivisch solle dieser Anteil deutlich steigen, so Kühn. Auch Uzin Utz geht den Weg über rezyklierte Materialien und liefert Bodenkleber etwa in Kanistern aus, die vollständig aus Altkunststoffen hergestellt sind. Aus Cradle to Cradle-Sicht betrachtet erfüllt der Bodenkleber zwar die strengsten Anforderungen an emissionsarme Verlegewerkstoffe (EMICCODE EC1). Wirklich Kreislauffähig ist er allerdings noch nicht, da er als Kleber bei der Entfernung nicht rückstandlos vom Bodenbelag getrennt werden kann.  

In seiner Keynote ging der geschäftsführende Vorstand C2C NGO, Tim Janßen, unter anderem auf das Ausmaß der Plastikverschmutzung in den Weltmeeren ein. Große Plastikteile aus den Ozeanen zu fischen, um daraus in der Zweitverwertung Kleidungsstücke oder Rucksäcke herzustellen, sei allerdings keine Lösung. “Diese Materialien wurden für dieses Nutzungsszenario einfach nie entwickelt”, sagte Janßen. Zum anderen seien vor allem kleinste Mikropartikel das große Problem. Sie gelangen unter anderem durch das Waschen von Kleidungsstücken aus synthetischen Fasern in das Abwasser und in Folge ins Meer. Das müsse weiter ins Bewusstsein der Menschen gelangen, so Janßen. Das gelinge vor allem durch Alltagsbeispiele. Mit Studierenden habe er bei Vorlesungen etwa bis zu 80 Mikrofasern in einem halben Liter Bier nachweisen können. “Da hört dann bei den Deutschen zumindest der Spaß auf”, so Janßen. Die zweite große Quelle sei Feinstaub von Autoreifen. Rund 40 Prozent des deutschen Kunststoffeintrags in die Meere stamme aus solchen Abrieben. “Reifen sind einfach nie dafür gemacht worden, dass ihr Abrieb in der Umwelt landet”, so Janßen.  

Dass Unternehmen wie Tarkett und Uzin Utz auf Materialien setzten, die entweder biologisch abbaubar seien oder in kontinuierlichen technischen Kreisläufen gehalten werden können, sei daher löblich. Das gelte insgesamt für die Baubranche, in der sich Cradle to Cradle immer stärker durchsetze. “Das ist aber keine Aufforderung, sich auszuruhen”, schloss Janßen.     


Mehr als klimapositiv Wirtschaften – C2CC20

Mehr als klimapositiv Wirtschaften – C2CC20 1536 895 C2C LAB

Kreislauffähig, klimapositiv und kreativ: Mit rund 1000 Gästen und 70 Speaker*innen aus Politik, Wirtschaft und NGOs war unser 6. Cradle to Cradle Congress in der Urania in Berlin ein voller Erfolg! Unter der Schirmherrschaft von Bundesumweltministerin Svenja Schulze und moderiert von Nina Eichinger startete der Congress am Freitag. Angesichts der Dringlichkeit von Umwelt- und Klimaschutz zog sich unser Motto „weniger schlecht ist noch lange nicht gut“ als roter Faden durch mehr als 30 Panels, Vorträge und interaktive Foren. Weiterlesen

Studierende zu Besuch im C2C LAB

Studierende zu Besuch im C2C LAB 1280 960 C2C LAB

Am Dienstag, dem 12. November begrüßten wir rund 60 Studierende des Bachelorstudiengangs ‚Nachhaltiges Management‘ der Technischen Universität Berlin. Nora Sophie Griefahn und Tim Janßen gaben Ihnen eine Einführung in Cradle to Cradle und das C2C LAB.

Cradle to Cradle Café mit dem Thema ‘Positive Impact! Cradle to Cradle in Gebäuden‘

Cradle to Cradle Café mit dem Thema ‘Positive Impact! Cradle to Cradle in Gebäuden‘ 2560 1920 C2C LAB

Mosa, Tarkett und QbiQ haben am Dienstag, den 5. November 2019 zum Cradle to Cradle Café mit dem Thema ‘Positive Impact! Cradle to Cradle in Gebäuden‘ im C2C LAB eingeladen. Nora Sophie Griefahn stellte das C2C LAB an der Landsberger Allee als weltweit erste umfassende Bestandssanierung nach C2C vor. Dr. Anna Braune vom DGNB berichtete, dass die Förderung des bewussten Umgangs mit Ressourcen von Anfang an zu den DGNB Kernthemen gehörten. Dabei geht es um die vorausschauende Auswahl von Produkten hinsichtlich ihrer Inhaltsstoffe im Kontext der Anwendung, um die Berücksichtigung möglicher baulicher Veränderungen während der Nutzung und um den späteren Gebäuderückbau. Dieser sollte bereits bei der Produktauswahl in der Planung berücksichtigt werden. Edwin Meijerink, Delta Development Group sowie Peter Roelvink, IAA Architecten stellten das PulseBerlin vor. Das neue Bürogebäude befindet sich in der Nähe vom Potsdamer Platz und bilden den Eckabschluß vom TRIADE Quartier „Stresemannstraße – Hallesche Straße – Möckernstraße“. Das Konzept des Gebäudes wurde von Cradle to Cradle inspiriert.

C2C LAB Feierliche Eröffnung & C2C Summit

C2C LAB Feierliche Eröffnung & C2C Summit 1000 667 C2C LAB

Das C2C LAB wurde vergangene Woche mit einer Doppelveranstaltung (10. und 11.09.2019) eingeweiht. Die feierliche Eröffnung fand am 10.09 mit 100 hochrangigen Gästen statt: Regine Günther (Berliner Umweltsenatorin) und Canan Bayram (MdB) sprachen Grußwörter; Florian Pronold (Parlamentarischer Staatssekretär, BMU) und Klaus Mindrup (MdB) Impulsvorträge und Matthias Horx (Trend- & Zukunftsforscher) die Festrede.

Der C2C Summit am 11.09 stand unter dem Thema Bau und Architektur: Katrin Lompscher (Berliner Bausenatorin) eröffnete die ganztätige Veranstaltung mti 150 Fachbesucher*innen mit einem Grußwort. Im Fokus standen folgende Fragen: Vor welchen Herausforderungen steht die Bauwirtschaft bei der Implementierung von Cradle to Cradle? Wie ist innovatives Bauen bereits heute möglich? So lassen sich Gebäude als Materialbanken denken und umsetzen!

Weitere Infos zu den Veranstaltungen gibt es in der Pressemitteilung.

C2C LAB Feierliche Eröffnung 10.09.2019

C2C Summit: Bau & Architektur 11.09.2019

Save the Date – C2C Summit: Building & Architecture

Save the Date – C2C Summit: Building & Architecture 2464 2464 C2C LAB

Der C2C Summit: Building & Architecture kreiert eine Plattform für Vernetzung, Austausch und Weiterbildung zum Thema Innovatives Bauen & Design im Rahmen von Cradle to Cradle. Vertreter*innen aus den Bereichen Bau, Architektur, Wirtschaft und Politik werden dazu animiert sich zu Themen wie C2C Innovationen & Bau, Best Practice Beispielen und zukünftiges Bauen auseinanderzusetzen.

Im gleichen Zuge soll das weltweit tiefgehendste C2C-Sanierungsprojekt in angemessener Tiefe vorgestellt werden: Mit dem C2C LAB entstehen auf 400qm Bildungszentrum, Reallabor und C2C Showroom im Herzen Berlins.

Alle Informationen zum C2C Summit sowie das Ticketing finden Sie unter
www.c2c-summit.org