Mojib Latif, Klimaforscher, Meteorologe, Hochschullehrer und seit 2017 Präsident der deutschen Gesellschaft Club of Rome, ist jemand, der stets einen Schritt weiter denkt. So sieht er den Zusammenhang zwischen sozialer Gerechtigkeit und der Klimakrise auf dem Weg zu einem besseren Wirtschaftssystem oder hinterfragt die derzeitige Diskussion rund um die Mobilitätswende. Warum das so ist und ob unsere Wirtschaft weiter wachsen sollte, war Thema von Mojib Latif und Tim im Rahmen unseres LAB Talks am 14. Mai 2020.
Soziale und globale Gerechtigkeit gehe Hand in Hand mit Klima- und Umweltschutz. Oder anders gesagt: Wer kümmert sich um Klimaschutz, wenn man drei Jobs hat und sich um das Überleben in der Gesellschaft sorgt? Eine Lösung ist für Mojib: „Wohlstand für alle, dann regelt sich der Rest von allein!“ Eine grundlegende Angst von Vielen sei, dass der kleine Mann* oder die kleine Frau* die Zeche zahlen müsse. Momentan beute ein kleiner, reicher Teil der Gesellschaft den Rest der Welt für mehr Profit aus. Stattdessen bräuchten wir ein neues Wirtschaftssystem, in dem die Preise die realen Kosten wiederspiegeln und Profit zu Lasten der Umwelt sich nicht mehr lohnt – in dem Punkt sind sich Mojib und Tim einig: Ein gerechtes Wirtschaftssystem, in dem Dinge neu gedacht werden. Das bedeute für Mojib auch, dass die Gelder zur Unterstützung der Wirtschaft im Zuge der Coronakrise nicht für die Entwicklung von neuen SUVs, sondern für eine komplette Mobilitätswende genutzt werden. Die Diskussion ob Wasserstoffantrieb, Verbrennungsmotor oder doch E-Mobilität die Lösung sei, sei zu kurz gedacht. Denn ein Auto stehe sowieso nur 80-90 Prozent der Zeit rum, ohne genutzt zu werden. Man müsse endlich anfangen, das Undenkbare zu denken und Verkehr als Serviceleistung sehen. Eine Forderung nach neuen Geschäftsmodellen, die auch Cradle to Cradle stellt.
Dafür, dass früher als Utopien bezeichnete Entwicklungen durch Innovation und konsequentes Umdenken Realität werden können, gibt es Mojib zufolge ein gutes Beispiel: die Entwicklung erneuerbarer Energien. „Hättest du vor 20 Jahren gesagt, wir produzieren in 20 Jahren zu weit über 40% aus Sonne und Wind, also erneuerbar, du wärst ausgelacht worden.“ Genauso wurde bereits vor sieben Jahren im Bundestag vor einer Pandemie gewarnt und gefordert, dass man sich besser darauf vorbereiten müsse. Trotzdem wurde damals zu wenig unternommen, weil es undenkbar schien. Mojib warnt nun schon seit Jahren vor den gefährlichen Auswirkungen unseres Handelns auf Klima und Umwelt, auch wenn diese Einigen momentan undenkbar vorkommen.
Eine Frage treibt Mojib derzeit jedoch besonders um: Ob die Klimakrise durch die Coronakrise in Vergessenheit gerät. Er fürchtet, dass sich dabei die Vergangenheit wiederholen könnte. Bereits 2006 lenkte der frühere US-Vizepräsident Al Gore mit dem Film „Eine unbequeme Wahrheit“ das öffentliche Interesse auf den Klimaschutz. Dann kam die Finanzkrise und anschließend die weltweite Wirtschaftskrise und das Thema Klimaschutz war plötzlich vom Tisch. So dürfe es diesmal nicht laufen, da sind sich Mojib und Tim einig. Vielmehr solle mit den Konjunkturpaketen im Rahmen der Coronakrise die notwendige Umstrukturierung unseres Wirtschaftens angestoßen, soziale Gerechtigkeit hergestellt und wirksamer Umwelt- und Klimaschutz vorangetrieben werden.
Das ganze Gespräch gibt es als Video oder als Audio-Podcast.